Teilnahme am Verbundkongress aus Sicht der Patientenvertreterinnen und -vertreter von OUTLIVE-CRC
Wie gelingt echte Zusammenarbeit zwischen Forschung und Patientinnen und Patienten?
Vier Patientenvertreterinnen und zwei Patientenvertreter berichten von ihrer Teilnahme am eoCRC Kongress im März 2025 in Lübeck – und von wertvollen Begegnungen, neuen Perspektiven, einem emotionalen Höhepunkt und einer Enttäuschung zum Schluss.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit den Patientenvertreter:innen Andreas M., Kerstin K., Norbert K., Renate F., Ricarda W. und Silke B. geschrieben worden.
Die Vorbereitungen
In mehreren Onlinetreffen der Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter von OUTLIVE-CRC sammelten wir Ideen und erarbeiteten, welche Themen uns besonders wichtig erschienen.
Das daraufhin gestaltete Poster zur Motivation zu unserer Arbeit als Patientenvertretung, der Vortrag über unsere bisherige Arbeit bei OUTLIVE-CRC, der Workshop über verständliche Wissenschaftskommunikation und unsere Präsenz vor Ort sollten dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die gegenseitigen Erwartungen zu schaffen und darüber mit den Forschenden der verschiedenen Verbundprojekte ins Gespräch zu kommen. All dies wurde im Vorfeld gemeinsam mit Ruth Deck und Cassandra Lill als verantwortliche Wissenschaftlerinnen für die Patientenbeteiligung bei OUTLIVE-CRC erarbeitet.
Die Erwartungen an den Kongress waren hoch – aber auch von Unsicherheiten begleitet. Einige von uns fragten sich, ob sie den Fachvorträgen folgen könnten – alle davon waren in englischer Sprache angekündigt. Auch über die Reaktionen auf unser Engagement und den Begegnungen mit den Forschenden auf Augenhöhe bestand Unsicherheit.
Und tatsächlich gab es im Laufe der Konferenz Situationen, in denen genau diese Themen sichtbar wurden, z.B. die unterschiedlichen Erwartungen aneinander oder auch Probleme bezüglich des inhaltlichen Verständnisses und fehlender Informationen.
Der Kongress
Vom 24. bis zum 26. März 2025 fand der „Prevention of eoCRC“ Kongress in Lübeck statt, auf dem OUTLIVE-CRC und drei weitere Verbundprojekte die bisherigen Forschungsergebnisse vorstellten und die weitere Zusammenarbeit zwischen den Verbünden planten.
OUTLIVE-CRC ist das einzige Verbundprojekt bei HARMONIZE mit Patientenvertretung. Zur neuen Förderperiode soll sich das ändern.
Das Programm war sehr umfangreich:





Bericht vom Kongress
Die Anreise zum Fraunhofer-Institut in Lübeck, in dem der dreitägige Kongress stattfand, verlief reibungslos – nicht zuletzt dank der gut organisierten Vorabinformationen durch Cassandra Lill. Bis zum Mittag, vor dem offiziellen Kongressbeginn, waren alle Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter angereist und da wir uns noch nicht oft in Präsenz gesehen hatten, nutzten wir die Zeit zum Austausch und Kennenlernen.
Eine erste gemeinsame Handlung von uns war das Aufhängen unseres Posters und die Befestigung des Handouts an der Stellwand im Foyer des Instituts.
„An der Erstellung des Posters mitzuarbeiten hat mir sehr viel Spaß gemacht. Wir haben uns einige Male Online getroffen und hatten eine super Zusammenarbeit. Über die inhaltlichen Diskussionen haben wir uns als Menschen auch besser kennen und schätzen gelernt. Ich denke, es ist uns gut gelungen, aufzuzeigen und auszudrücken, wer „Wir – die Patientenvertreter:innen (PV) bei OUTLICE-CRC“ sind. In der Nachbetrachtung muss ich sagen, den Wert unseres und der anderen Poster für den Kongress kann ich nicht benennen. Am Montagabend gab es neben Get together und Finger Food auch Zeit für den Poster Walk. Wir hatten auch zwei nette Gespräche zu unserem Poster gehabt. Ansonsten sind die Poster beim Kongress nicht weiter thematisiert worden. Trotzdem hat dieses Poster auch über den Kongress hinaus einen bleibenden Wert und wir können uns bei jeder zukünftigen Veranstaltung damit gut präsentieren.“ Andreas


An den darauffolgenden Tagen nahmen die Patientenvertreterinnen und -vertreter an zahlreichen Fachvorträgen teil, die von Forschenden aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands präsentiert wurden.
„Ich war das erste Mal als PV auf so einem Kongress und erst einmal sehr gespannt auf alles. Auch wenn mir klar war, dass ich den Vorträgen mit meinem unzureichenden Englisch nicht folgen werden kann. Zwar wurde zumindest versucht, per schriftlicher automatischer Google-Übersetzung der gesprochenen Vorträge, ein Folgen zu ermöglichen. Aber die gleichzeitige Präsentation war in Englisch und die Qualität der Übersetzung war aus verschiedenen Gründen nur semi erfolgreich. Zudem konnte man die Augen entweder nur auf der Präsentation oder der Übersetzung haben. Das passt genau zu unserem Workshop, dachte ich dabei.“ Andreas
„Für mich war es sehr interessant auf welchen Ebenen die einzelnen Forschungsverbünde arbeiten. Die Vorträge wurden in Englisch referiert und einiges war unverständlich für mich dargestellt, man hat eben in der Forschung eine ‚eigene‘ Sprache, welches wiederum auch OK ist, wenn die Forschenden unter sich sind. Für Laien jedoch ist diese Sprache etwas verwirrend. Vielleicht kann man in Zukunft darauf etwas mehr Rücksicht nehmen, wenn wieder Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter eingeladen werden.“ Kerstin
Bereits am Montag informierten wir mit unserem Vortrag über die Patientenvertretung bei OUTLIVE-CRC. Den Vortrag hielten Cassandra Lill und Silke B., Patientenvertreterin Sonja H. hat bei der Vorbereitung inhaltlich mitgearbeitet, konnte aber selbst den Kongress nicht besuchen. Beide hielten ihren Vortrag in deutscher Sprache. Die KI übersetzte Deutsch auf Deutsch. Das war im Ergebnis wirklich zum Schmunzeln.
„Für mich das erste Highlight des ersten Kongresstages. KI kann eben Menschen noch nicht ersetzen und wird es hoffentlich auch niemals.“ Norbert
Auch die zeitliche Gestaltung der Vorträge wurde kritisch angemerkt. Häufig blieb wenig Raum für Nachfragen oder Diskussionen im Anschluss.
Da alle Vorträge hintereinander erfolgten, konnte natürlich jede:r jeden Vortrag ansehen. Aber diese vielen Informationen in der kurzen Zeit haben nicht nur uns überfordert, auch aus dem Fachpublikum hörten wir dazu entsprechende Äußerungen.
„Zugegeben bin ich mit der Form als Laie ziemlich überfordert, habe aber eigentlich die gesamte Zeit den Eindruck, dass die Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter willkommen sind und respektiert werden.“ Norbert
Ein besonders bewegender Moment ereignete sich am Dienstag, als eine junge Patientin von ihrer Krebserkrankung berichtete, die bei ihr mit nur 21 Jahren diagnostiziert wurde. Sie kam in Begleitung der ebenfalls beim Kongress anwesenden Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. An ihrem Vortrag wurde deutlich, wie viel Aufklärung, Begleitung und Unterstützung noch fehlt – besonders für junge Menschen mit einer schweren Diagnose.
„Ihre Geschichte hat mich sehr berührt. Obwohl ich bei meiner Krebsdiagnose mehr als doppelt so alt war, ähnelten sich manche Geschichten, aber auch Gefühle, wie Wut und Ängste. Ich glaube nicht nur für mich, war das der emotionale Höhepunkt des Kongresses und hat uns alle nochmal geerdet. Bei einigen Forschenden hatte ich allerdings den Eindruck, dass sie meinten, das sei Patientenvertretung.” Andreas
„Da kommt all das wieder hoch, was einen Menschen mit Krebs so beschäftigt und auch ängstigt. Ich habe ihr zugehört, mit Tränen in den Augen und großem Respekt mit ihrem Umgang mit der Darmkrebserkrankung. Das versteht wohl nur jemand der das selbst erlebt hat. Wenn einem Menschen von einer Minute auf die andere das Leben unter den Füßen entzogen wird. Nach Beendigung ihres Berichts ein Grund zur ihr zu gehen, sie in den Arm zu nehmen, und DANKE zu sagen! Grundsätzlich finde ich toll, dass die Stiftung Junge Erwachsene mit Krebs an dem Kongress teilgenommen hat und meines Erachtens wirklich bereichert hat!“ Norbert
Neben den Vorträgen und Diskussionen gab es während der Pausen viele Gelegenheiten zum persönlichen Austausch. Der Mittwoch stand ganz im Zeichen eines Workshops, bei dem die Patientenvertreterinnen und -vertreter gemeinsam mit einigen Forschenden aus OUTLIVE-CRC und weiteren Verbundprojekten zentrale Punkte zum Thema Kommunikation erarbeiteten, die ihnen wichtig waren. So wurde u.a. über Erwartungen an die Forschung und gemeinsame Ziele sowie Wünsche gesprochen, die stärker in den öffentlichen Diskurs getragen werden sollten.
Dieser Workshop verlief allerdings ganz anders als geplant:
„Dass uns ausgerechnet ein Kommunikationswissenschaftler den Workshop crasht, hatte ich nicht erwartet. Von einem Gespräch am Vorabend mit ihm, wurde berichtet, dass er das Thema Patientenvertretung unterstützt. Im Workshop nahm er sich am Thema vorbei zu viel Raum und zusammengefasst kann man festhalten, er braucht zwar PV für seine Forschung, hat aber weder Zeit noch Lust, sich darum zu kümmern. Er möchte uns als funktionierendes Team haben. So funktioniert das aber nicht und das will er nicht verstehen, sondern sieht das als Arbeitsverweigerung an. Wir fühlten uns alle wie vor den Kopf gestoßen und runtergezogen. Wir haben das eigentliche Thema des Workshops dann noch irgendwie zu Ende gebracht.“ Andreas

Die Erkenntnisse wurden anschließend von Cassandra Lill während der Ergebnisvorträge aller Workshops des Kongresses präsentiert.
„In der anschließenden Diskussion mussten wir zum einen erfahren, dass für die neue Förderperiode die Mittel der Patientenvertretung zentral bei HARMONIZE für alle Verbundprojekte beantragt sind und zum anderen wohl einige meinten, die bisherige Patientenvertretung wechselt dann auch zentral zu HARMONIZE und steht über diesen Weg allen Verbundprojekten zur Verfügung. Blöd nur, dass mit uns noch niemand gesprochen hatte. Ich habe versucht zu erklären, dass man bitte vorher mit uns sprechen soll. Wir sind gerne bereit zu helfen und uns einzubringen, das hat aber Grenzen, denn wir machen das freiwillig. Diese Form von Arroganz und Ignoranz hat mich sehr enttäuscht.“ Andreas
Nach dem Workshop waren die Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter also um einige Erfahrungen reicher, leider nicht nur positive, was auch einige Zeit nachhallte.
Rahmenprogramm
Da es für manche Patientenvertreterinnen und -vertreter eine wirklich lange Anreise bis nach Lübeck war, wurde der Aufenthalt in der sogenannten “Königin der Hanse” oder “Stadt der Sieben Türme” auch für Sightseeing genutzt. So fanden einige abseits vom Kongress Zeit für die Besichtigung des historischen Rathauses und natürlich des Holstentores.
„Ein besonderer Bonus in den drei Kongresstagen war, dass wir die Gelegenheit hatten, die Stadt Lübeck etwas besser kennenzulernen/zu erkunden. In Erinnerung bleibt mir dabei die sehr unterhaltsame Führung durch das historische Rathaus und der Bummel durch die Lübecker Altstadt. Die Abendveranstaltung am zweiten Kongresstag in einem sanierten Hafenschuppen direkt an der Trave war ebenfalls ein Highlight. Die KongressteilnehmerInnen kamen dabei in lockerer Atmosphäre angeregt miteinander ins Gespräch und konnten so persönliche Kontakte knüpfen.“ Silke


Fazit
Die Rückmeldungen und das Gesamtfazit des Kongressbesuches mit all der Vor- und Nachbereitung fiel bei uns Patientenvertreter:innen durchaus unterschiedlich aus.
Positiv hervorheben können wir:
- die professionelle Organisation und reibungslose Anreise,
- die persönliche Betreuung durch die zuständigen Forscherinnen,
- die Möglichkeit, das eigene Engagement sichtbar zu machen,
- der persönliche Austausch mit Beteiligten anderer Projekte,
- die Erkenntnis, wie wichtig Patientenperspektiven in der Forschung sind.
Aber deutlich kritisch benennen müssen wir:
- die fachliche und sprachliche Unzugänglichkeit vieler Vorträge,
- die fehlende Vorbereitung mancher Beteiligter auf partizipative Zusammenarbeit,
- einzelne unklare oder nicht abgestimmte Kommunikationsprozesse,
- Enttäuschung über verpasste Chancen im Workshop.
Aussicht
Die Beteiligung am Kongress war ein wichtiges Signal: Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter sollen nicht nur „mitlaufen“, sondern aktiv mitgestalten. Gleichzeitig hat die Veranstaltung gezeigt, wo es Nachholbedarf gibt und woran wir noch arbeiten müssen, um die Beteiligung an manchen Stellen überhaupt erst möglich zu machen.
Für den nächsten Verbundkongress Anfang 2026 gibt es daher nun konkrete Verbesserungsansätze, um ihn patientenvertretungsfreundlicher zu gestalten. Der wichtigste Punkt ist dabei, dass die Patientenvertreter:innen nicht nur eingeladen werden – sie gestalten den Kongress als solches aktiver mit und werden Teil der Gesamtkongressplanung.

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